Literaturwissenschaft – eine historische Datenwissenschaft? Zu Data Literacy und anderen Literacies

Digitale Hermeneutik

Abstract:

„Data literacy is the ability to collect, manage, evaluate, and apply data, in a critical manner“ (Ridsdale et al., 2015). Dass Data Literacy im Zeitalter der digitalen Transformation eine zentrale Fähigkeit ist, ist breiter Konsens. Aber welche Rolle kann und soll sie in der Forschungs- und Lehrpraxis einer Literaturwissenschaft spielen, die doch zuallererst eine historisch und systematisch fundierte Geisteswissenschaft ist (Barner 1990)? Wenn man die digitale Transformation weiterdenkt, ist dann nicht eine datenförmige Zurichtung von Texten, Werken und Fragestellungen auf dem Vormarsch? Und läuft die Literaturwissenschaft dann nicht Gefahr, algorithmische und formalistische Zugriffe zugunsten von historisierenden und deutenden Ansätzen vorzuziehen?

Anhand von Fallstudien aus den Computational Literature Studies werde ich eine (domänenspezifische) Data Literacy als Grundlage einer datenbasierten Literaturwissenschaft umreißen, die sich als systematisch und historisch fundierte und agierende Wissenschaft begreift. Hier korrespondiert literaturwissenschaftliche Data Literacy mit anderen geisteswissenschaftlichen «Literacies», u. a. der Fähigkeit zur kulturellen und historischen Kontextualisierung.

Barner, Wilfried. 1990. Literaturwissenschaft – eine Geschichtswissenschaft? Stiftung Historisches Kolleg (Hg.), Vorträge 18. München: Schriften des Historischen Kollegs.
Ridsdale, Chantel, James Rothwell, Mike Smit, Michael Bliemel, Dean Irvine, Dan Kelley, Stan Matwin, Brad Wuetherick, und Hossam Ali-Hassan. 2015. Strategies and Best Practices for Data Literacy Education Knowledge Synthesis Report. https://doi.org/10.13140/RG.2.1.1922.5044.

Kurzbio:

Berenike Herrmann ist Professorin für Neuere Deutsche Literatur mit Schwerpunkten in Literaturtheorie und Digital Humanities an der Universität Bielefeld. Dort leitet sie die Bielefeld Computational Literary Studies Group und ist PI am Sonderforschungsbereich 1288 «Praktiken des Vergleichens. Die Welt ordnen und verändern» (SFB 1288). Ihre Forschungsschwerpunkte sind literarischer Stil, räumliche und affektive Literaturtheorie sowie Fragen nach historischem Wandel (besonders in Deutschschweizer Literatur) – deren Erforschung sie unter Einsatz computergestützter, empirischer und interdisziplinärer Herangehensweisen verfolgt. Berenike Herrmann ist Acting Chair der SCC Collections des Projekts NFDI Text +, Koordinatorin der Community of Practice “Data Literacy” des Projekts BiLinked an der Universität Bielefeld und Vorstandsmitglied der internationalen ADHO Special Interest Group «Digital Literary Stylistics» SIG DLS.

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