GRK Deutungsmacht - Religion und belief systems in Deutungsmachtkonflikten
Jeder hätte sie gern, viele kämpfen darum, manche haben sie, aber bisher ist weitgehend ungeklärt, was das ist: Deutungsmacht. Dieses operativ gängige Konzept soll im Graduiertenkolleg "Deutungsmacht - Religion und belief systems in Deutungsmachtkonflikten" begrifflich und methodisch ausgearbeitet- und in Fallstudien bearbeitet werden.
Wie entsteht, "funktioniert" und vergeht Deutungsmacht, exemplarisch im Kontext von Religion und Belief Systems? Anhand signifikanter Deutungsmachtkonstellationen und -konflikte soll Deutungsmacht in Genese und Geltung sowie in Geschichte und Gegenwart untersucht werden, um zu klären: Was für eine Form oder Dimension von Macht ist Deutungsmacht? Was für Macht haben oder entwickeln Deutungen (von Religionen beziehungsweise ihren Vertretern, Institutionen, Amtsinhabern oder "Charismatikern", Diskursen oder Dispositiven etc.)? Wann und warum werden sie anerkannt oder nicht mehr?
Deutungsmachtkonflikte sind gegenwärtig vor allem im Kontext medial vermittelter religiöser Konflikte mit fundamentalistischen Bezügen präsent sowie in den Auseinandersetzungen um das belief system Demokratie im Kontext von Populismus, fake news oder der Macht der Algorithmen. Das Graduiertenkolleg hat die seit dem Erstantrag noch brisanter gewordenen Herausforderungen im Blick und fragt, wie sich Deutungsmachtformationen generieren und ihre Geltungsansprüche kommunizieren. Neben der vertieften Bearbeitung der aus der ersten Förderperiode virulent bleibenden Definitions- und Abgrenzungsfragen (z.B. im Verhältnis zur Kommunikationsmacht) soll in der zweiten Förderperiode die Deutungsmachtperspektive im Sinne eines komplexen Analyseinstrumentariums weiterentwickelt werden.
Es wird untersucht, wie sich die phänomenologischen, semiotischen, hermeneutischen und performativen Implikationen von Deutungsmacht einerseits und die akteursbezogenen, institutionellen, relationalen und modalen Facetten von Deutungsmacht andererseits in Bezug auf Religion und belief systems zueinander ins Verhältnis setzen lassen. Deutungsmachtanalyse beginnt bei den konfliktiven Konstellationen, in denen Deutungsmachtansprüche offen konkurrieren. Deutungsmachtkonflikte können im Ausnahmefall, der erst ex post zu konstatieren ist, im Sinne modaler Macht symbolische Ordnungsgefüge und die Grenzen des Möglichen/Unmöglichen in der Wirklichkeitskonstitution in Frage stellen, verschieben und neujustieren (wie z.B. in der Reformation geschehen). Um die Grenzen der Produktivität von Deutungsmacht auszuloten, ist die Analyse solcher Konstellationen von exemplarischem Interesse. Es sind jedoch auch die unsichtbaren, latenten Formen von Deutungsmacht zu reflektieren, die in selbstverständlich geltenden Sinnstrukturen anerkannt und wirksam werden. Diese Formen wirken gerade in Religion und belief systems unterschwellig und erweisen sich darin als besonders mächtig. Über die deskriptive Aufklärung latenter Deutungsmacht und offener Deutungsmachtkonflikte hinaus sollen in der zweiten Förderperiode die normativen Aspekte der Deutungsmachtkritik und der Konfliktvermittlung intensiver in den Blick genommen werden.
Beteiligte Fachrichtungen: Theologie , Philosophie , Religionswissenschaften , Politikwissenschaften , Sozialwissenschaften , Amerikanistik , Romanistik , Wirtschaftswissenschaften , Rechtswissenschaften , Bildwissenschaften , Medienwissenschaften
Laufzeit: 2014 bis 2023